35 Jahre Reaktorkatastrophe Tschernobyl
Anlässlich des 35. Jahrestages der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl die aktualisierte Predigt von Pfr. i.R. Reinhard Paul in Ibbenbüren am 24. und 25. April gehalten.
Tschernobyl Predigt
Liebe Gemeinde,
ihr lieben Freunde und Freundinnen der Tschernobyl-Kinder,
26. April 1986."Tschernobyl".
Ein Ort im Norden der Ukraine.
Unweit der Grenze nach Weißrussland
Nach der Übersetzung aus der ukrainischen Sprache bedeutet Tschernobyl zu Deutsch "Wermut".
Schon der Gedanke daran ist "bitter" genug.
Eine apokalyptische Katastrophe!
Ein Stern der vom Himmel fällt.
Und so steht es in der Bibel, in der Apokalypse,
der Offbg. des Johannes 8, 10+11:
"Und der dritte Engel blies seine Posaune; und es fiel ein großer Stern vom Himmel, der brannte wie eine Fackel und fiel auf den dritten Teil der Wasserströme und auf die Wasserquellen.
Und der Name des Sterns heißt WERMUT. Und der
dritte Teil des Wassers wurde zu Wermut, und viele Menschen starben von den Wassern, weil sie
bitter geworden waren."
Ein Lichtblitz im Dunkel der Nacht. "Heller als tausend
Sonnen." Verzehrendes Feuer. Die Erde verbrannt.
Die Flüsse verseucht..
Verstrahlungen ohne Ende.
Generations-übergreifend. Grenzen ignorierend.
Vor 35 Jahren. In der Tat!!
"Kannste vergessen! Nach 35 Jahren!"
Wer sagt das?
Die Mächtigen vor Ort. - Und anderswo.
Menschen, die nur an sich selbst glauben!
An ihre Unfehlbarkeit!
"Der Mensch ist das Maß aller 'Dinge"
Oder anders ausgedrückt: "CORONA"
Der Mensch die "KRONE" der Schöpfung."
35!! Magische Zahl. Von zufälliger Willkür!
Ob 35 oder 50 oder 100 oder 150 oder 165 oder 200.
Selbst gewählte Maßstäbe in Corona-Zeiten.
Für die Devise: "Türen auf und nichts wie raus!"
Wer sagt das?
Menschen in freiheitlicher Verantwortung.
Und andere?
Bestreiten das: "Willkürliches Zahlenspiel!
Kannste vergessen!
35!! - kein Maßstab! Viel zu niedrig.
Wieso 35 ?! Eindeutig ver-messen!!
Es reicht! Wir brauchen mehr Spielraum!
Doch noch eine andere Stimme ist da, erhebt Einspruch. Gegen das Vergessen!
Bringt sich in Erinnerung
35 - 5 mal 7 Schöpfungstage
Für die Erschaffung der Welt -
länger als eine 7 - Tage - Woche!
Der Mensch nicht vom Menschen gemacht.
Von Gott erschaffen!
Am Anfang des 7. Schöpfungstages.
Mit Einsicht und Staunen über
bereits Geschaffenes,
das er selbst nicht gemacht hat.
Und der grenzenlos liebende Gott,
der die Welt zum Guten erschaffen hat,
läuft durch sein Paradies,
das der Mensch verdorben hat
und fragt: "Du Mensch, wo bist du?"
Und er nimmt nicht die Katastrophe zum Maßstab.
Der Grenzlos-Liebende gibt dem Menschen
einen anderen Maßstab, als er ihm sagt:
"Vergiss deinen Schöpfer nicht!"
Er hat dir seinen Namen geschenkt:
Zum Segen und nicht zum Fluch!
Die Psalmen rühmen und preisen ihn:
Lobe den HERRN meine Seele
und was in mir ist seinen heiligen Namen.
Lobe den HERRN meine Seele
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.
Der dir deine selbstherrliche Vermessenheit vergibt,
und heilt, womit du dein Leben
und das Leben anderer zerbrichst.
Er ist´s, der dein Leben vom Verderben erlöst
und dich KRÖNT mit Gnade und Barmherzigkeit.
Der HERR schafft Gerechtigkeit und Recht
allen, die Unrecht leiden.
Barmherzig und gnädig ist der HERR
geduldig und von großer Güte.
(Psalm 103, 1-3+6+8)
Und es kam einer, von Gott gesandt,
aus dem liebenden Herzen Gottes
und seiner Barmherzigkeit.
Als Licht der Welt
Zum Segen und nicht zum Fluch
wie Lukas sagt: 1, 18+19
Damit er erscheine denen,
die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes,
und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.
Es sind heilende Worte mitten in der Corona-Zeit:
"Danach werden wir einander viel zu verzeihen haben"
Diese Worte stammen von Jens Spahn, unserem Gesundheitsminister. Erkennbar damit, die große
Last, die er selbst als Verantwortlicher in der Krisenbewältigung zu spüren bekam.
Er hätte diesen Satz auch schon sagen können, als er vor ein paar Jahren mit unseren Tschernobyl-Kindern durch den Rheiner Zoo spazierte und wir an die schwere Kriegslast denken konnten, denn schließlich ist jeder Dritte in Belarus durch deutsche Soldaten ums Leben gekommen. Es gibt viel wieder gutzumachen an begangener Schuld. Nicht nur von Seiten des deutschen Volkes sondern von allen Völkern die Kriege führen.
Es war niemand anders als Petrus, der Jesus fragte:
Wie oft er anderen vergeben müsse,
ob 7 mal genug wäre (oder vielleicht auch 5 mal 7 mal)
Und die Antwort Jesu lautete:
Nicht 7 mal ( auch nicht 5 mal 7 mal)
sondern 70 mal 7 mal. (Matth. 18, 21+22)
Was meinte Jesus, als er das gesagt hat? Ich will es
zum Schluss an einem Beispiel deutlich machen:
Es war ein besonderes Erlebnis, als ich mit meiner Frau Ingeborg unter katholischem Segen mit einer Pilgergruppe und Pater Antu auf eine Pilgerfahrt nach Indien ging. Wir kamen in Indien an die Gedenkstätte von Mahatma Gandhi. Alle Staatsoberhäupter und Polit-Größen einschließlich Angela Merkel hatten dort Bäume gepflanzt. Wir haben ihren Baum nicht gefunden, aber ich bin dort auf einen Ausspruch von Mahatma Gandhi gestoßen, der für seine Versöhnungsarbeit steht: "Es gibt keinen Weg zum Frieden, wenn der Weg nicht schon Friede ist."
Das bedeutet doch: Nicht nach einer gelungenen Wiedergutmachung beginnt Vergebung, sondern mitten in aller Schuld, mitten in aller Feindschaft, mitten in der Hilflosigkeit und Unvollkommenheit menschlicher Versuche. Und wie wir es jetzt in Belarus erleben mitten in gewaltsam erfahrenen Unrecht wachsen der Hoffnung Flügel.
Das haben wir als Initiative erlebt: Aus ehemaligen belarussischen Feinden sind Freunde geworden.
Nicht durch kriegerische Gewalt sondern durch die Bereitschaft zum Frieden.
Für den 26. April bedeutet das, dass wir uns solidarisch zeigen mit den Opfern, die in Belarus gegen Gewalt und Unfreiheit der staatlichen Organe protestieren und Flagge zeigen.
Unsere Solidarität wird sich aber auch als Christen erweisen in der Fürbitte für die Unterdrückten und Entrechteten, für die 'Geschundenen, Gefangenen
und Gefolterten.
Paulus sagt: Gott hat uns Frieden und Versöhnung mit ihm durch Christus geschenkt "als wir noch Feinde waren."
Sterben wir also nicht in den Wartezimmern unserer Unversöhnlichkeiten. Leben und feiern wir Gottes versöhnende Liebe.
Eine friedlose und zerrissene Welt wird unser Platz sein.
Amen.