Nicht in's Aus stellen - 17. Forum zum Tag der Arbeit
GEGEN DIE AUS-GRENZUNG VONLANGZEITARBEITSLOSEN
Zwischen 2010 und 2013 hat die Bundesregierung das Budget für "Leistungen zur Eingliederung in Ar-beit" von 6,6 auf 3,9 Milliarden Euro gekürzt. Heute wird nur noch jeder elfte Hartz IV-Empfänger mit einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme gefördert. Die Politik konzentriert sich auf die rasche Vermittlung marktnaher Arbeitsloser. Menschen mit brüchigen Berufsbiografien und sozialen Schwierigkeiten bleiben draußen.Die physischen und psychischen Folgen für die Betroffenen sind verheerend. Dabei sind die positiven Aspekte einer Arbeitsstelle lange bekannt.Die Regelmäßigkeit eines Arbeitstages bringt Struktur ins Leben, schafft Verlässlichkeit und gibt Halt. Ein geregelter Tagesablauf und ein selbst erarbeitetes Einkommen sind auch der Schlüssel zu einer positiveren Sicht auf sich selbst. Die Möglichkeit, eine sinnstiftende Arbeit auszuüben, gehört zur Würde des Menschen.
Der Tafelchor "InTakt" gestaltete unter Leitung von Lucia Vatran das musikalische Rahmenprogramm.
DIE CARITAS FORDERT EINE TRENDWENDE IN DER ARBEITSMARKTPOLITIK
Das Menschenrecht auf Arbeit muss für ALLE Wirklichkeit werden. Wir fordern
- mehr Möglichkeiten, um Langzeitarbeitslose mit psychosozialer Begleitung und beruflicher Qualifizierung auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten;
- neue Möglichkeiten, Langzeitarbeitslose mit einem Lohnkostenzuschuss auch längerfristig sozialversicherungspflichtig zu beschäftigen;
- neue Finanzierungsformen, um öffentlich geförderte Beschäftigung ohne nennenswerte Zusatzbelastung für die Steuerzahler realisieren zu können;
- eine neue Wertschätzung von Arbeit als wichtigem, sozial integrierendem Element unserer Gesellschaft.
Anlässlich unseres "Forum zum Tag der Arbeit" zeigten wir die Aus-Stellung
"Stell mich an, nicht aus!"
DIE AUS-STELLUNG FÜR MEHR AN-SEHEN
Stellvertretend für die Million Langzeitarbeitsloser in Deutschland haben sechs Menschen ihre ganz persönliche Geschichte erzählt. Von der Zeit, als sie ausgestellt waren, ausgegrenzt, ins Aus gestellt. Und von ihren Erfolgen bei ihrer Wiederanstellung und vom neuen Ansehen.
Die Aus-Stellung arbeitet mit einem überdimensionierten, wetterfesten Kubus und großen Postern, die den Unterschied von Menschen als "Ausgestellte" und "Angestellte" zeigen.
Dazu die Forderung:
"Stell mich an, nicht aus!"
Bernd Wagener, Vorsitzender des Caritas-Rates, stellte in seinen Begrüßungsworten fest: "Zwar boomt die Wirtschaft und die statistischen Arbeitslosenzahlen gehen zurück, aber die Situation langzeitarbeitsloser Menschen hat sich in den letzten Jahren weiter verschlechtert. Für den Caritasverband Rhein-Wied-Sieg sei es wichtig, "dass das Engagement für Langzeitarbeitslose und der Einsatz für sinnstiftende Arbeit, das Schaffen von Arbeitsplätzen und solidaritätsstiftende Öffentlichkeitsarbeit nicht in erster Linie eine Frage der Barmherzigkeit ist, sondern vielmehr eine Frage der Gerechtigkeit".
Die Podiumsteilnehmer stellten sich in der Ausstellung zum Foto auf. Vorne sitzend: Andrea Steyven (Vorsitzende der Aktion Arbeit) und Martina Messan (Referentin des Diözesancaritasverbandes Trier). Hinten stehend: Bernd Wagener (Vorsitzender des Caritas-Rates), Hauptredner Dr. Hans-Jürgen Marcus (Diözesancaritasdirektor in Hildesheim und Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft "Integration durch Arbeit") sowie der Betzdorfer Caritasdirektor Rudolf Düber.
Dr. Hans-Jürgen Marcus, Diözesan-Caritasdirektor in Hildesheim und Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft IDA, war Hauptredner beim diesjährigen Forum. Er stellte klar: "Arbeit ist ,ehr als Broterwerb. Es geht immer auch um eine Kultur der Anerkennung!". Er beleuchtete die Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt (Fachkräftemangel, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und die scharfe Exklusion bestimmter Zielgruppen). Mit der BAG IDA fordert er einen Richtungswechsel bei der Eingliederung in Arbeit. Notwendig sei ein System, in dem die Förderung der Arbeisuchenden einzellfallorientiert und passgenau erfolgen könne. Er verlangt: "Bei Langzeitarbeitslosen müssen neben der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt auch die Herstellung von Beschäftigungsfähigkeit sowie die soziale Teilhalbe als Grundziele des SGB II anerkannt werden!".
"Lassen Sie uns gemeinsam eintreten für eine solidarische Gesellschaft in der gerade auch die Schwachen menschenwürdig leben können!" Martina Messan vom Diözesan-Caritasverband Trier hatte klare Worte und stellt fest: "Es ist alleine eine Frage des gesellschaftlichen und politischen Wollens". Die bestehende Ausgrenzung von langzeitarbeitslosen Menschen prangert sie als "politisch unhaltbaren Zustand" an und ist erschrocken über das Ausmaß der Stigmatisierung: "in Politik und Gesellschaft wird Arbeitslosigkeit nicht als eine strukturelle Frage des Arbeitsmarktes betrachtet, sondern als verhaltensbezogenes Defizit der Arbeitslosen selbst."
Andrea Steyven, Vorsitzende der Aktion Arbeit (Mitte), forderte ein "den Menschen als Menschen wieder in den Mittelpunkt der Bemühungen zu stellen und jedem Menschen einen nach seinem Können geeigneten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen." Für sie ist es dazu notwendig, dass "Politiker endlich einsehen und entsprechend handeln müssen, dass eine flächendeckende öffentlich geförderte Beschäftigung nötig ist, um jedem Menschen die Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen."
"Wie sollen denn die immensen Herausforderungen durch Hunderttausende von Menschen mit Fluchthintergrund - die alle Arbeit suchen - gemeistert werden, wenn in puncto Bewältigung der Langzeitarbeitslosigkeit ein so offensichtliches Versagen vorliegt?", Caritasdirektor Rudolf Düber fand beim Forum - sein letztes als Caritasdirektor - noch einmal sehr deutliche Worte. Er ist überzeugt: "Ohne Solidarität kann man keine Schwächeren vor der Aussortierung schützen. Es ist unsolidarisch, das Schicksal langzeitarbeitsloser Menschen nicht im Blick zu haben. Angesichts der sich seit mehreren Jahren verfestigenden Langzeitarbeitslosigkeit kann man nicht zur Tagesordnung übergehen!"